So wie jedes Jahr hat es mich auch 2025 wieder im November auf die Insel Helgoland gezogen. Mein Ziel waren die kleinen Kegelrobbebabys, die am Strand herumkuscheln und aussehen, als hätten sie gerade erst entdeckt, dass es Wind gibt. Vom 26. bis zum 28. November hatte ich genau drei Tage Zeit zum Fotografieren. Drei Tage, in denen das Wetter bitte wenigstens ein bisschen mitspielen sollte. Wer Helgoland kennt weiß jedoch, dass das Wetter dort eigene Pläne hat und grundsätzlich immer eine Überraschung parat hält.
Bevor es losging musste aber erst einmal meine Fotoausrüstung eingepackt werden. Und zwar so, als würde ich in die Arktis reisen. Die Kamera braucht Schutz vor Kälte und Regen, und ich brauche Schutz vor allem anderen. Also landeten Winterjacke, Regenjacke, Mütze, Schal, Handschuhe und natürlich das wichtigste Kleidungsstück im Gepäck die lange Unterhose. Ohne die geht am Strand gar nichts. Dazu noch die dicken Winterstiefel, denn wenn man stundenlang im Sand steht fühlt sich selbst leichter Frost an wie ein kleiner persönlicher Eiswinter.
So wuchs der große Fotorucksack schnell zu einem echten Schwergewicht heran und auch der Koffer füllte sich bis zum Rand. Egal, dachte ich mir, lieber etwas mehr mitnehmen als später frierend am Strand stehen und bereuen, dass man die zweite lange Unterhose zuhause gelassen hat. Und wenn man dann gut eingepackt und mit halbwegs warmen Füßen zwischen den Dünen steht und die ersten Robbenbabys sieht, dann weiß man wieder ganz genau, warum man das alles jedes Jahr aufs Neue macht.
Gegen 5 Uhr 30 war es so weit und ich habe meine Begleitung eingesammelt. Dieses Jahr hatten sich meine Mutter und meine Schwester entschieden mitzukommen. Nicht zum Fotografieren, nein, die beiden hatten ein ganz anderes Ziel. Sie wollten shoppen und natürlich ganz nebenbei die Zollfreigrenzen maximal ausreizen. Während ich an Kegelrobbenbabys dachte, träumten die zwei schon von Parfum und Pralinen.
Von Uelzen aus ging es dann im Dunkeln Richtung Cuxhaven, immer mit dem festen Blick darauf die Fähre rechtzeitig zu erreichen. Und tatsächlich, wie echte Handwerker standen wir pünktlich im Hafen. Nach kurzer Wartezeit durften wir auch schon auf das Schiff. Wobei Schiff vielleicht etwas großzügig formuliert war.
Denn natürlich lag wieder das Ersatzschiff bereit. Die Helgoland gönnte sich eine kleine Wellnesskur in der Werft und so erwartete uns die MS Funny Girl. Ein Schiff, das schon ein paar Jahre gesehen hat und das man liebevoll als alte Lady bezeichnen kann. Sie tut noch zuverlässig ihren Dienst, solange das Meer bitte möglichst still bleibt. Denn Stabilisatoren besitzt sie ungefähr so viele wie eine Parkbank.
Mit dieser alten Lady bin ich schon durch einige ordentliche Stürme gefahren und ich kann sagen, das macht keinen Spaß. Wenn sie anfängt zu tanzen, hält man sich besser gut fest und hofft, dass die Reise bald endet. Doch an diesem Morgen war das Meer freundlich und so tuckerte unsere charmant knarzende Begleiterin langsam Richtung offener Nordsee, während wir uns fragten, ob dies wohl ein ruhiger oder ein besonders spannender Tag werden würde.
Also ging es rauf auf das Schiff und die Überfahrt konnte beginnen. Wenn die See gut gelaunt ist dauert die Reise zur Insel etwa 150 Minuten. Das klingt gemütlich und kann es auch sein, denn an Bord gibt es reichlich Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben. Man kann essen, trinken, Leute beobachten oder so tun als wäre man ein erfahrener Seefahrer, der jede Welle schon persönlich kennt.
Allerdings sollte man bei schlechter See nicht zu übermütig werden. Die Funny Girl hat eine gewisse Art sich zu bewegen und die kann den Magen schon mal in eine philosophische Krise führen. Ich hatte zum Glück mein Buch dabei Der Alchimist von Paulo Coelho. Ein guter Plan wie sich herausstellte. Während manche Passagiere misstrauisch auf ihren Kreislauf hörten, habe ich mich einfach in die Seiten vergraben und getan als würde mich nichts auf der Welt aus der Ruhe bringen.
Zwischendurch habe ich kurz hochgeschaut um sicherzugehen dass der Horizont noch an seinem Platz ist und nicht schräg hängt. Alles gut, also weiterlesen. Und so vergingen die Minuten schneller als gedacht. Die See blieb brav, mein Magen blieb friedlich und die alte Lady trug uns tapfer weiter Richtung Helgoland.
Kaum waren wir auf der Insel angekommen, ging alles ganz schnell. Vom Schiff runter, einmal tief die frische Helgolandluft eingeatmet und dann direkt ab ins Inseltaxi Richtung Oberland. Warum Taxi, könnte man fragen. Ganz einfach, ich wollte so schnell wie möglich zu meiner Unterkunft. Keine Zeit für gemütliches Spazieren, ich war im Fotografenmodus und der zählt jede Minute wie ein Wettkampfrichter.
Also ab ins Taxi, Koffer rein, Rucksack rein, ich rein, Tür zu und los. Oben angekommen habe ich meine Sachen nur noch in die Unterkunft geworfen. Zum Auspacken blieb keine Zeit. Die Kamera braucht frische Luft und die Kegelrobben warten nicht höflich bis ich sortiert habe, was ich dabei habe.
Das Wetter zeigte sich erstaunlich gut und das ist auf Helgoland ungefähr so sicher wie ein Sechser im Lotto. Also musste ich diese kurze Gelegenheit nutzen. Noch schnell einen Schluck Wasser, Mütze zurechtrücken und dann ging es auch schon weiter zur Düne. Die kleinen Kegelrobben sollten schließlich nicht denken ich hätte sie vergessen.
Also machte ich mich so schnell ich konnte auf den Weg zum Anleger der Dünenfähre. Ich wollte unbedingt noch ein bis zwei Stunden auf der Düne fotografieren. Als ich am Anleger ankam staunte ich nicht schlecht. Statt der üblichen Fähre wartete dort ein kleines Börteboot. Ein charmantes Gefährt das aussieht als wolle es eigentlich lieber in einem Museum stehen, aber dennoch tapfer seinen Dienst tut.
Egal dachte ich mir, Hauptsache rüber zur Düne. Also die sechs Euro für Hin und Rückfahrt bezahlt und ab an Bord. Viel Platz war nicht, aber für mich und meinen zu groß geratenen Fotorucksack reichte es gerade so. Dann ging es los, der Motor brummte zufrieden und die kleine Nussschale schaukelte gemütlich in Richtung Düne.
Die See war ruhig, fast schon verdächtig ruhig, als hätte sie beschlossen mir zur Begrüßung einen guten Start zu schenken. Ich konnte es kaum erwarten an Land zu gehen. In meinem Kopf scharrten die Kegelrotzrobbenbabys schon mit ihren winzigen Flossen und riefen nach ihrer Kamerazeit.
Kaum angekommen auf der Düne ging es auch gleich weiter zum Strand. Hinter der Absperrung lagen sie, die kleinen Kegelrobbenbabys, als hätten sie nur auf mich gewartet. Das ganze Jahr über habe ich mich schon darauf gefreut, genau hier zu stehen und endlich diese Momente einzufangen.
An meiner Sony A7 IV war mein Teleobjektiv 200 bis 600 Millimeter montiert. Perfekt, um die kleinen Racker richtig nah heranzuholen, ohne ihnen auf die Flossen zu treten. Abstand halten war Pflicht, schließlich wollte ich die Natur respektieren und nicht die Babys erschrecken. Aber das Beste daran war, dass ich trotzdem jedes neugierige Näschen, jede winzige Flosse und jeden verschlafenen Blick im Kasten hatte.
Ich fühlte mich wie ein Fotograf im Abenteuerland. Jeder Klick der Kamera fühlte sich an wie ein kleiner Triumph. Die Babys rollten sich zusammen, schauten neugierig und ab und zu plumpste eines aus Versehen in den Sand. Ich konnte mich vor Freude kaum halten und musste gleichzeitig darauf achten, dass ich nicht selbst wie ein Baby im Sand landete vor lauter Aufregung. Endlich war es soweit, mein persönlicher Helgolandtraum wurde wahr.
Am Anreisetag hatte ich echt Glück mit dem Wetter und den Kegelrobben. Alles passte wie die Puzzleteile eines perfekten Tages und ich konnte ein paar richtig schöne Fotos machen. Doch gegen 16 Uhr musste ich wieder zurück auf die Hauptinsel – und das wurde zu einem kleinen Abenteuer für sich.
Plötzlich tauchte eine riesige Anzahl von Leuten auf, die ebenfalls zurückwollten. Und das alles in diesem kleinen Börteboot! Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Es sah aus, als wolle das Boot gleich zusammenklappen vor lauter Menschen. Trotzdem quetschten sich alle hinein, Lachen, Gepäck und Mützen flogen durcheinander, und das Boot schaukelte dabei fröhlich auf den Wellen.
Ich war echt überrascht, wie viele Leute so auf so ein kleines Boot passen können. Es war ein bisschen wie Sardinen in einer Dose, nur mit Meerblick. Aber die Stimmung war super, alle lachten über die Enge, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mit ein bisschen Glück, festen Griffen und guter Laune schaukelten wir zurück zur Hauptinsel, während die Sonne langsam über dem Wasser glitzerte. Ein perfekter Abschluss für einen traumhaften Tag auf Helgoland.